Meine Mutter, ein Kriegskind, hatte als Kind nie ein Buch. Keins. Später, da hat sie Bücher wie Schätze gehütet. Alles, was sie kriegen konnte, hat sie gelesen. Ganze Abende hat sie mit einem Buch in der Hand verbracht.
Jetzt stehen sie da, die Bücher, in den Regalen und stapeln sich bis zur Decke. Und sie kann sie nicht mehr lesen. Der Kopf spielt nicht mehr mit. Da ist zum Beispiel Die Bücherdiebin. Das Buch hat sie geliebt. Die Geschichte von einem Mädchen, das Bücher stiehlt, um den Menschen um sich herum ein bisschen Hoffnung zu bringen. Das hat sie berührt, wahrscheinlich weil sie selbst ohne Bücher groß geworden ist.
Jetzt weiß ich nicht, wohin mit den vielen Büchern. Es sind einfach zu viele. So viele Geschichten, die meine Mutter geliebt hat und die jetzt einfach nur noch rumstehen. Es ist schade. Es tut mir weh, sie da so unberührt stehen zu sehen. Aber so ist das wohl. Irgendwann kann man einfach nicht mehr. Und die Bücher warten weiter.